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Joseph Favre, ein Wegbereiter der kulinarischen Wissenschaft

Wussten Sie, dass einer der grössten Gelehrten der Geschichte der Küche und der Ernährung aus Vex stammt? Dank der digitalen Walliser Bibliothek RERO.doc ist sein enzyklopädisches Wissen, das vor über 130 Jahren in Paris herausgegeben wurde, nun online zugänglich.

Der Koch Joseph Favre wurde 1844 im kleinen Walliser Dorf Vex geboren und starb 1903 in Boulogne-sur-Seine. Er war als Historiker und Koch der französischen Küche bekannt und setzte sich für deren Demokratisierung ein. Ausserdem war er einer der ersten professionellen Gastronomiejournalisten. Seine Ausbildung zum Koch absolvierte er in Sitten im Grand Hôtel. Um sich in den grossen Küchen der damaligen Zeit weiterzubilden, reiste Joseph Favre ab 1865 zunächst durch die Schweiz und dann durch Europa. Während dieser Zeit wird ihm eine Sympathie für die anarchistische Bewegung nachgesagt. 1883 liess er sich in der Nähe von Paris nieder. 


Im Jahr 1878 veröffentlichte Favre die erste kulinarische Zeitschrift, die von einem Koch verfasst wurde. Sie trug den Titel «La Science culinaire» (Die kulinarische Wissenschaft) und existierte bis 1883. Diese Zeitschrift ermöglichte es ihm, die meisten seiner fortschrittlichen Kochideen umzusetzen und das Thema Küchenhygiene zu verbreiten und zu fördern. Für die damalige Zeit ist dies ein neues Konzept, das alles umfasst, was mit der Hygiene in der Küche zu tun hat, aber sich auch mit der Herkunft und dem gesundheitlichen Nutzen von Lebensmitteln beschäftigt. Wie der Titel der Zeitschrift nahelegt, versucht Favre mit seiner Publikation, das Kochen als Wissenschaft zu propagieren.


Am 1. März 1878 ruft Joseph Favre zur Gründung der «Union universelle pour le progrès de la science et de l'art de la cuisine» (Universelle Union zum Fortschritt der Wissenschaft und der Kochkunst) auf. Seine Absicht ist es, dass die Kochkunst als Wissenschaft angesehen wird. Daraufhin bilden sich zahlreiche Sektionen auf der ganzen Welt, so auch zwei in Paris. Eine dieser Sektionen wird im 19. Jahrhundert mit Joseph Favre als offiziellem Gründer zur «Académie culinaire de France». Das Hauptziel dieser Union ist es, die Kochkunst als Ernährungswissenschaft zu fördern, welche im Dienst der öffentlichen Gesundheit steht.


1889 erschien sein vierbändiger «Dictionnaire universel de cuisine pratique». Diese illustrierte Enzyklopädie zur Küchenhygiene ist eine fundierte Gesamtdarstellung zum Thema. Favre legte viel Wert auf einen wissenschaftlichen Anspruch und das Nachschlagewerk fokussiert die Hygiene in der Küche und beinhaltet neben Herkunft und Geschichte von Lebensmitteln auch deren ernährungswissenschaftlichen Aspekt und deren gesundheitsfördernden Eigenschaften. 1903 erschien eine zweite, vom Autor überarbeitete Auflage, die mit 6’000 Rezepten und 2’000 Seiten noch umfangreicher ist. Joseph Favre wollte mit seinem Werk vor allem Familien, auch jene aus tieferen Schichten, Kenntnisse über die Ernährung vermitteln. Ein Faksimile der Enzyklopädie erschien 1978, ein weiteres 1995.

 

Der Koch verstarb 1903 und die Erinnerung an ihn verblasste allmählich. Ab den 1970er Jahren lässt die Gemeinde Vex die Erinnerung an ihren ehemaligen Dorfbewohner wiederaufleben. 2006 macht eine Neuauflage seines Universalwörterbuchs, mit einem Vorwort von Jean-Pierre Coffe erschienen im Verlag Omnibus, das gesammelte Wissen in einem einzigen Band erneut der breiten Öffentlichkeit zugänglich. Der 2016 ins Leben gerufene Grand Prix Joseph Favre trägt ebenfalls zu dieser Wiederbelebung bei. Auch das Schweizer Gastronomiemuseum auf Schloss Hünegg rückt Favre ins Rampenlicht. Die im Jahr 2020 erschienene Biografie von Dr. Albert Mudry, die im Verlag Favre erschien, beleuchtet die grosse Persönlichkeit, deren Schicksal bis dahin in weiten Teilen im Dunklen lag.

 

Weitere Informationen

  • Konferenz von Dr. Albert Mudry «Joseph Favre, cuisinier innovateur et érudit valaisan du XIXème siècle» (auf Französisch)
  • Interview mit Albert Mudry, Autor des Werks «Joseph Favre, cuisinier et érudit», 2022, Archiv der Stadt Sitten (auf Französisch)
  • Dictionnaire universel de cuisine pratique: encyclopédie illustrée d'hygiène alimentaire: modification de l'homme par l'alimentation. Band 1 / Joseph Favre – Digitalisierte Ausgabe

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